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Mit Hunden und Katzen

kennt Heidi Reutlinger sich aus.

Die kleine Hündin Maja hat

bei der Verhaltenstherapeutin

eine neues Zuhause gefunden, nachdem sie beinahe zwölf

Jahre wild in der

Umgebung eines Bauernhofs gelebt hatte.

WAZ-Bild: Christa Karrasch

 

    

Von Vierbeinern auf der Couch
(WAZ/03.11.03)


In Amerika gehört es beinahe zum guten Ton, sich regelmäßig bei seinem Psychiater den Frust von der Seele zu reden. Doch nicht nur Menschen, auch Tiere finden sich dort ganz selbstverständlich auf der "Couch" wieder.

"In den USA wird Verhaltenstherapie für Tiere seit 40 Jahren wissenschaftlich betrieben", sagt Heidi Reutlinger. Amerika und England sind das Mekka der Verhaltens-therapie für unsere Mitgeschöpfe, die in Deutschland eher noch in den Kinderschuhen steckt. Es gibt nur wenige Fachkräfte. Heidi Reutlinger gehört dazu.

Seit einem halben Jahr arbeitet die 41-Jährige als Verhaltenstherapeutin in der Stimbergstadt. Schon früh machte sie zunächst eine Ausbildung zur Tierarzthelferin und bildete sich dann weiter zur Fachhelferin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Ihre Ausbildung zur Verhaltens-therapeutin absolvierte die Oer-Erkenschwickerin bei  Dr. A. Schubert in München, der Leiterin der "Ethologischen Seminare Bayerns". Das Institut bietet Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Tierärzte im Bereich der Verhaltenstherapie an. 

Über 20 Jahre war Heidi Reutlinger im veterinär-medizinischen Bereich tätig, bevor sie einen ehemaligen Bauernhof am Steinrapener Weg 55 mietete, dort zunächst ein Hotel für Hunde und Katzen eröffnete und dann parallel dazu mit Unterstützung der hiesigen Tierärzte ihre Arbeit als Therapeutin aufnahm.

Und ihr Zulauf ist recht groß. "In den letzten Jahren mehren sich die Verhaltensprobleme enorm, was meiner Meinung nach darauf zurückzuführen ist, dass man keinerlei Qualifikation braucht, um sich ein Tier anzuschaffen", sagt Reutlinger.

Verhaltensstörungen bei Katzen sind meist darauf zurückzuführen, dass ihre Besitzer unbewusst etwas verändert haben. Da war zum Beispiel die Katze, die plötzlich immer auf die Badezimmermatte machte. Das Teil war neu und das Kätzchen konnte es einfach nicht leiden. Kaum lag die alte Matte wieder da, ging die Katze wieder auf ihre Toilette.

Bei Hunden müssen häufig Aggressionsprobleme behandelt werden. Entweder sind die Tiere Artgenossen gegenüber aggressiv oder eben gegenüber Menschen. Manchmal stecken sie dann in der Chefrolle und sind damit gar nicht glücklich. "Die Besitzer müssen es schaffen, ihnen Grenzen zus setzen, was nichts mit Strafe zu tun hat", so die Expertin.

Heidi Reutlinger arbeitet nach einem von zwei amerikanischen Forschern entwickelten Fünf-Phasen-Modell. Dazu gehören zum Beispiel die Phasen der Bestandsaufnahme und der Problemerörterung. Eine sechsseitige Checkliste füllt sie gemeinsam mit den Besitzern aus. Katzen werden zuhause besucht Hunde auch.

Nur letztere holt die 41-Jährige auch manchmal zu sich nach Hause. Anschließend beginnt die Arbeit gemeinsam mit den Besitzern. "Ich verstehe mich als Verbindungsglied zwischen Tier und Besitzer", sagt Reutlinger. Sie möchte das Verständnis für den Vierbeiner fördern.


 Letzter Ausweg – Hunde-Internat 
(PARTNER HUND, Ausgabe Nr.6)

Die Verhaltenstherapeutin Heidi Reutlinger hat sich auf die Wiedereingliederung

schlecht sozialisierter und aggressiver Hunde spezialisiert.

Das erste halbe Jahr, nachdem Birgit Koszielski Nora aus dem Tierheim

geholt hatte, verhielt sich die Hündin ganz normal.

Doch zunehmend reagierte sie aggressiv, wenn jemand ihrem Frauchen

zu nahe kam. Bald wachte sie wie eine Furie über ihre Familie.

„Ich konnte nicht mal die Türe öffnen, ohne Nora wegzusperren

oder den Maulkorb anzulegen. Es war total stressig“, berichtet

Birgit Koszielski. Als sie nicht mehr weiterwusste, suchte sie fachmännische

Hilfe bei Heidi Reutlinger. Die Verhaltenstherapeutin für Tiere machte sich

vor Ort ein Bild und legte mit den Besitzern ein Therapieziel fest.
Im ersten Schulungsblock sollte die Aggression gegen Hunde, im zweiten

die gegen Menschen therapiert werden.
„Sind nicht die Hormone schuld, wird die Aggression gegen andere Hunde

zum Großteil durch Kommunikationsfehler gesteuert“, erläutert sie.

„Da Hunde wesentlich besser miteinander als mit uns Menschen kommunizieren,

sollte Nora daher erst lernen, wie diese Kommunikation funktioniert.“
Dazu wurde die Hündin fünf Tage in der Woche zur „Gesprächstherapie“

ins „Hundeinternat“ geschickt. Ohne ihre Menschen. „Hat ein Hund verstanden,

worum es geht, kann der Besitzer viel ruhiger mit ihm arbeiten“, begründet

Heidi Reutlinger ihre Vorgehensweise. Zur Orientierung hält sie Trainingssequenzen

auf dem Video fest. Darf der Vierbeiner übers Wochenende nach Hause, bekommt

der Halter zudem Verhaltensempfehlungen mit.
Am Montag geht´s dann zurück in die „Grundschule“, die je nach Problemlage

drei bis vier Wochen dauert. Um eine „mentale Leine zu dem Vierbeiner zu knüpfen“,

nimmt die Hundetrainerin nur zwei Hunde gleichzeitig auf. So hat sie stets ein Tier

im Schlepptau, während das andere seine Ruhe- und Spielphasen hat.

 

Friedliches Spiel statt Rauferei

Meist handelt es sich bei dem Zweittier um einen Hund aus dem Tierheim,

der nicht mehr vermittelbar ist. Hat sich nach der Therapie ein Platz gefunden,

wird von ihr ehrenamtlich ein neuer übernommen. Trotz der individuellen Betreuung

sind Heidi Reutlingers Therapiestunden nicht teuerer als andernorts, da sie sich

überwiegend durch ihr Hunde- und Katzenhotel finanziert.
Als Birgit Koszielski in der zweiten Woche mit zum Unterricht kam, traute sie

ihren Augen kaum. Ihre Nora tummelte sich friedlich mit Heidi Reutlingers

Vierbeinern im Freigelände.

„Früher hätte es ein Blutbad gegeben“, erzählt die glückliche Hundebesitzerin.

Die vierbeinigenCo-Therapeuten, die speziell für die Arbeit mit aggressiven Hunden

ausgebildet wurden, hatten ganze Arbeit geleistet.
Nun musste Nora den normalen „zwischenhundlichen“ Umgang auch im Beisein ihres

Frauchens und daheim in früheren Konfliktsituationen lernen. Die vierjährige Hündin

lernte schnell. „Bereits nach dem ersten Ausbildungsblock übertrug sich ihr neues

Verhalten Hunden gegenüber auch auf Menschen“, begeistert sich Birgit Koszielski.

„Zwar gibt es immer noch Menschen und Hunde, die sie nicht auf Anhieb mag, oft

reicht aber schon ein Nein, um sie zu beruhigen.“ Nora braucht endlich keinen

Maulkorb mehr, und das Gassigehen verläuft ohne Stress.

 

Wieder Freude am Hund

Selbst der Tierarztbesuch ist kein Problem. Bisher konnte Nora nämlich weder

untersucht noch geimpft werden. „Jetzt ließ sie sich Fieber messen und ihre

verletzte Pfote behandeln“, freut sich ihr Frauchen. „Natürlich bekam ich keinen

anderen Hund zurück, und ich muss konsequent bleiben. Doch heute habe ich

wieder Freude an meiner Nora.“
Ganz ähnlich erging es Bettina und Andreas Sawall. Zwar kam ihre Anka mit

Menschen prächtig aus, doch sie mussten um andere Hunde einen Bogen machen:

„Das nervte schrecklich.“ Obwohl sie keine Wunder erwartete, schickte Bettina Sawall

die achtjährige Hündin für zwei verlängerte Wochenenden in Therapie. „Bereits nach

dem ersten Mal kam Anka mit den Therapiehunden klar. Nach dem zweiten reagierte

sie auch auf fremde Hunde nicht mehr“, erzählt Bettina Sawall begeistert. „Uns wurde

klar, dass der Fehler bei uns lag. Wir haben Anka zu sehr ihren Willen gelassen.

Sobald ein anderer Hund auf uns zukam, haben wir nur mehr auf ihn und Anka geachtet.

Seit wir uns nur noch auf die Leinenführigkeit konzentrieren, reagiert sie völlig anders.

Statt andere Hunde zu meiden, suchen wir jetzt sogar den Kontakt, um zu üben.“
Besondere Sorgenkinder im „Trainingslager“ waren Carlos und Jette.

Das Ordnungsamt hatte die Jagdhunde bei Heidi Reutlinger untergebracht.

Tagelang hatten sie neben den Leichen ihrer durch ein Gewaltverbrechen ums Leben

gekommenen Besitzer ausgeharrt. „Sie haben wohl früher schon viel Gewalt erlebt“,

vermutet die Therapeutin. „Ihr aggressives Verhalten war ihnen anscheinend

jahrelang antrainiert worden. Daher mussten sie als Erstes lernen, dass dieses

Verhalten kein Lob hervorruft.“ Mittlerweile sind Carlos und Jette äußerst

menschenbezogen und liebebedürftig. Trotzdem fürchtet die Hundeexpertin,

dass ihr Leben im Tierheim enden wird. „Wer nimmt schon Hunde mit zehn

und zwölf Jahren?“, bedauert sie. „Da müsste schon ein kleines Wunder

passieren.“

Von Saskia Brixner

              

 

 

Heidi Reutlinger gibt Birgit
Koszielski Ratschläge für den
Umgang mit Nora

Gemeinsam mit der Therapeutin
lernen Nora und ihre Besitzerin

mit Situationen, die früher zu

Konflikten führten,

anders umzugehen

 

Trauriges Los: Weil Nora un- kontrolliert auf Menschen und Hunde losging, war sie nur mehr mit Maulkorb unter Kontrolle zu halten

Heute braucht Nora keinen

Maulkorb mehr. Natürlich will

Birgit Koszielski weiterhin mit ihr und Heidi Reutlinger üben.

Bettina und Andreas Sawall mit

ihrer Anka, Heidi Reutlinger

und einem ihrer "Co-Trainer"

Trotz Therapie-Erfolg finden

Carlos und Jette kein Zuhause

 

 


Scheuer "Boomer" muss zuerst in die Therapie  TIERHEIM: Zusammenarbeit soll bei Vermittlung helfen

Das Tierheim Marl geht neue Wege bei der Vermittlung. War es früher die Ausnahme, kommt es heute immer öfter vor, dass vor allem schwierige Hunde in den Tierheimen abgeben werden. Deren Mitarbeiter stehen dann vor fast unlösbaren Problemen.

Gelingt es trotzdem, diese Hunde zu vermitteln, so ist das oft nur von kurzer Dauer. Sind die neuen Besitzer nicht bereit, sich fachkundige Hilfe bei der Eingewöhnung des neues Familienmitglieds zu suchen, werden die Hunde bei dem Aufkommen bereits kleinster Unstimmigkeiten wieder ins Tierheim gebracht.

Aus diesem Grunde arbeitet das Tierheim nun mit einer Verhaltenstherapeutin zusammen, die dem Tierheim kostenfrei zur Beratung zur Verfügung steht. So soll auch den Tieren, die bisher keine Chance auf Vermittlung hatten, der Weg zur Eingliederung wieder offen steht.

Aktueller Therapiepatient wird Boomer, ein wunderschöner dreieinhalbjähriger Schäferhund-Mix. Obwohl er noch so jung ist, hat er in der kurzen Zeit, die er nicht im Tierheim verbrachte, alle Fehler, die ein Tierhalter machen kann, erleben müssen. Aus dem einst lebhaften, kinderlieben Spielkameraden wurde durch falsche Erziehung ein Hund, der jedem misstraut.

Boomer sucht nun ein neues Zuhause bei Menschen, die bereit und in der Lage sind, die anstehende Therapie aktiv zu begleiten.

Neuer Besitzer muss mitmachen

Eine Therapie ohne Aussicht auf ein neues Zuhause würde langfristig nicht den erzielbaren Erfolg gewährleisten, so dass mit Boomers Therapie erst begonnen werden kann, wenn sich ein zukünftiges Zuhause findet. Bereits vom ersten Therapietag an werden die neuen Besitzer mit der Therapie vertraut gemacht. Ein Umzug vom Tierheim ins neue Zuhause wird nicht vom ersten Tag erfolgen, sondern entsprechend dem Therapiestand zwischen Tierheim, Therapeut und neuem Besitzer abgestimmt.

Ideal für Boomer wären aktive Menschen ohne kleine Kinder mit Hundeverstand, Geduld, Bereitschaft, Zeit zu investieren und der Fähigkeit, sich in einen "noch" komplizierten Hund zu verlieben.

Informationen zu Boomer und der bevorstehenden Therapie erteilen das Tierheim, Tel. 2 19 42 und Dipl. Verhaltenstherapeutin H. G. Reutlinger, Tel. 02368/961385

Mittwoch, 02. November 2005 | Quelle: Marler Zeitung (Marl)